Logistikverträge

Logistikverträge sind rechtlich nicht gesondert geregelt – weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) noch im Handelsgesetzbuch (HGB). Es handelt sich bei Logistikverträgen um Typenkombinationsverträge, die Elemente verschiedener Vertragsarten enthalten. Dazu zählt neben dem Speditionsvertrag (§§ 453 – 466 ff. HGB) und dem Frachtvertrag (§§ 407 – 449 ff. HGB) der Lagervertrag (§§ 467 – 475 ff. HGB) und der Werkvertrag (§§ 631 – 650 BGB). Beim Logistikvertrag oder auch Kontraktlogistikvertrag, handelt es sich um einen sogenannten Innominatvertrag, also einen Vertrag, der so nicht im Gesetz geregelt ist, im Gegensatz z. B. zum Fracht- oder Lagervertrag. Der Speditionsvertrag ist jedoch häufig ein geeigneter vertraglicher Grundtyp. Durch ihn wird der Spediteur verpflichtet, die Versendung des Gutes zu besorgen und ggf. Lagerungen durchzuführen und logistische Nebenleistungen.

Logistikverträge: inhaltliche Abgrenzung

Im Transport- und Logistiksektor ergeben sich bei rechtlichen Streitigkeiten häufig Abgrenzungsschwierigkeiten dahingehend, mit welcher Vertragsart man es überhaupt zu tun hat. Nicht immer verwenden die Vertragsparteien für Verträge, die sie schließen und die auch verändert oder erweitert werden können, die richtige juristische Bezeichnung, insbesondere wenn auf Musterverträge zurückgegriffen wird. In der Praxis ist es deswegen nicht ganz einfach, die vertragliche Zuordnung durchzuführen, wobei dies für viele Fragen relevant ist, z.B. Haftung, Verjährung, Leistungsstörungen. Am besten ist es natürlich, dies nicht durch Auslegung ermitteln zu lassen, sondern die relevanten Punkte einerseits zu kennen und andererseits vertraglich zu lösen. Als Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht verfügt Rechtsanwalt Dr. Gimmler über langjährige Erfahrung auf diesem Rechtsgebiet. In der Logistik kommt es häufig vor, dass zu einem bestehenden Leistungsumfang weitere Leistungen hinzukommen. Diese können auch speditionsuntypisch sein. Ein Beispiel für solche logistischen Zusatzleistungen sind etwa Behandlung, Montage oder Reparatur von Waren, die Preisauszeichnung, Regalservice oder Tätigkeiten im Bereich Planung und Steuerung von Prozessen, Vertrieb oder Informationen. Immer dann, wenn Inhalt eines Logistikvertrags verschiedene Hauptleistungen sind, die unterschiedlichen Vertragstypen zuzurechnen sind (wie z.B. Transport, reine Lagerung) und dem Parteiwillen keine Leistung zu entnehmen ist, die im Vordergrund stehen soll, bewegt man sich nicht mehr im Bereich eines Speditionsvertrages als Grundtyp. Relevant ist diese Unterscheidung, wenn es um Haftungs- und Versicherungsfragen geht. Bei rechtlichen Problemen mit Verladern, Spediteuren, Transporteuren und sonstigen Dienstleistern können wir Sie fachkundig beraten. Unsere Kanzlei verfügt mit unseren Fachanwälten für Transport- und Speditionsrecht über langjährige Erfahrung auf diesem Rechtsgebiet. Als Lehrbeauftragter und Autor eines Textkommentars zum Transport- und Logistikvertragsrecht verfolgt Rechtsanwalt Karl-Heinz Gimmler stets die neuesten Entwicklungen auf diesem Rechtsgebiet.

Logistikvertrag Inhalt: die verschiedenen Arten

1. Logistikverträge mit Lagerleistungen als Hauptleistung

Dass Güter im Rahmen des Transports gelagert werden, reicht noch nicht, um vom Bestehen eines Logistikvertrags ausgehen zu können. Der Grund: Die Lagerung kann auch allein transportbedingt oder „disponiert“ erfolgen, also im Rahmen einer ausdrücklichen Vereinbarung. In einem solchen Fall findet jedoch ein Lagervertrag nach den §§ 467 ff. HGB Anwendung. Erfolgt die Lagerung transportbedingt, bewegt man sich im Bereich des Frachtrechts und damit findet entweder Speditionsrecht oder unmittelbar Frachtrecht Anwendung. Wesensmerkmal kontraktlogistischer Lösungen ist, dass es sich um eine Kombination verschiedener Leistungen handelt. Dabei liegt in aller Regel die Lagerleistung als eine Hauptleistung vor, ggf. Transport noch als weitere Leistung. Jedoch genügt die bloße Lagerung nicht, es muss sich, wenn nicht noch Transporte als Hauptleistung vereinbart sind, um weitere originär logistische oder originär nicht-logistische Nebenleistungen handeln (s.o.). Um als Logistikvertrag zu gelten, muss sein Inhalt der Güterflussoptimierung dienen. Wenn es darum geht, den Logistikvertrag von anderen Verträgen abzugrenzen, stellt die Lagerdauer für sich allein genommen jedoch kein hinreichendes Kriterium dar. Entscheidend ist eine am Willen der Vertragsparteien orientierte Auslegung geschlossener Kontrakte. Auch für Lagerung im Rahmen der Neubildung logistischer Einheiten in zweistufigen Cross-Docking-Konzepten ist in der Regel nicht von disponierter Lagerung, sondern von transportbedingter Lagerung auszugehen. Der Bundesgerichtshof setzt für das Vorliegen einer transportbedingten Lagerung einen Transportauftrag voraus, der während der Lagerung bestehen muss. Das Oberlandesgericht Köln entschied in einem Fall (OLG Köln, Urteil vom 22.11.2005, Az. 3 U 162/04), dass eine auf sechs Wochen angelegte Lagerung noch ohne Weiteres als transportbedingte Lagerung anzusehen sei und sprach dem Kunden Schadenersatz zu, ohne sich mit möglichen lagerrechtlichen Ansprüchen befasst zu haben. Im Transportrecht gilt allgemein eine auf Kilogramm-Höchstbeträge limitierte verschuldensunabhängige Obhutshaftung im Sinne von §§ 425, 426 HGB. Hier kommt es nur darauf an, ob der Schaden objektiv vermeidbar war. Im Fall einer „rein“ disponierten Lagertätigkeit gilt abweichend davon jedoch eine unbeschränkte Haftung nach § 475 HGB (Haftung für Verlust oder Beschädigung), dieses setzt jedoch zumindest leichtes Verschulden voraus (§ 347 HGB). In der Praxis werden jedoch entweder individualvertraglich oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, insbesondere den ADSp 2017, zahlreiche Haftungsbegrenzungen zugrunde gelegt, da kein Logistiker das Risiko unbegrenzter Haftung tragen kann. Hier muss gegengesteuert werden – niemand will für ein leicht fahrlässig verursachtes Abbrennen eines Lagers mit Millionenwerten unbegrenzt haften. Insoweit stellen auch die ADSp 2017 eine große Illusion dar – diese können bei wesentlichen Pflichtverletzungen – auch bei leichter Fahrlässigkeit – die Haftung nicht begrenzen.

2. Logistikverträge mit Schwerpunkt auf Steuerung von Logistikkonzepten

Hierbei handelt es sich um Verträge, bei denen die Steuerung von Logistik als Leistung im Vordergrund steht. Dies betrifft Verträge im Bereich Supply-Chain-Management, Fourth Party Logistics Providers (4PL) und Lead Logistics Providers (LLP). Auch hier ist stets die Frage, ob der Typ des Speditionsvertrags hier, ganz oder teilweise, Anwendung finden soll. § 454 Abs. 1 HGB spricht davon, dass der Spediteur die Pflicht hat, die Versendung zu besorgen und dies „die Organisation der Beförderung“ umfasst. Wegen dieses Wortlauts wird davon ausgegangen, dass Steuerungstätigkeiten vom Speditionsvertrag umfasst sind. Für die Zuordnung solcher Verträge zum Speditionsvertrag ist es nicht relevant, ob neben der Steuerung auch physische Leistungen wie Frachtführertätigkeit oder Leistungen im Sinne von § 454 HGB (‚Besorgung der Versendung‘) selbst erbracht werden. Dies kann zum Beispiel im Rahmen von LLP-Konzepten (Legal Logictic Provider) der Fall sein. Logistikverträge mit Schwerpunkt auf Steuerung von Logistikkonzepten enthalten in der Praxis häufig typisch nicht-logistische Leistungen oder handels- oder produktionsbezogene Leistungen. Auf diese Teile der Leistung kann der Speditionsvertragstypus jedoch nicht erstreckt werden. In einem solchen Fall hat man es mit einem Typenkombinationsvertrag zu tun.

3. Verträge mit Schwerpunkt auf handels- oder produktionsorientierten Leistungen 

Beinhaltet ein Vertrag Leistungen, die Handel oder Produktion betreffen, hat man es nicht mehr mit einem klassischen Speditionsvertrag zu tun. Ein solcher muss sich nämlich auf eine Beförderung beziehen, verlangt also eine Leistung, die zumindest im weiteren Sinne mit einer Ortsveränderung von Waren verbunden ist. Liegt ein solcher Fall vor, in dem Handel oder Produktion den Kern bilden, liegt ein gemischter Vertrag vor. Dieser kann Elemente der verschiedenen Vertragstypen kombinieren oder die Logistikleistung als Hauptleistung enthalten und weitere Nebenleistungen vorsehen.

4. Logistikvertrag ohne eindeutigen Schwerpunkt

Manche Logistikverträge beinhalten Hauptleistungen, die verschiedenen Vertragstypen zuzuordnen sind. Ist in einem solchen Fall nicht ableitbar, welchen Vertragstypus die Vertragsparteien genau schließen wollten, so scheidet der Speditionsvertrag als Grundtyp derartiger Logistikverträge aus. Auch in diesem Fall liegt dann ein Typenkombinationsvertrag und kein reiner Logistik- oder Speditionsvertrag vor.

5. AGB in der Logistik

Für die meisten logistischen Tätigkeiten, insbesondere Lagerung und Transport, gelten die ADSp 2017. Seit 2006 gibt es auch noch die Logistik AGB, heute nach der Überarbeitung Logistik AGB 2019. Diese müssen ausdrücklich vereinbart werden. In den Logistik AGB 2019 ist unter anderem – wie in den ADSp 2017 – die Haftungsbegrenzung des Logistikdienstleisters bei Schäden geregelt. Entgegen dem Namen sind sie ausschließlich auf originär nicht logistische Leistungen anwendbar. Die Logistik-AGB finden Anwendung bei allen logistischen Leistungen, die nicht von einem Vertrag, für den die Allgemeinen Deutschen Spediteur Bedingungen (ADSp) gelten, umfasst sind und nicht in eine Speditions-, Fracht- oder Lagervertrag geregelt werden. Die Anwendbarkeit der Logistik-AGB erstreckt sich auf Kontraktlogistikverträge, aber auch auf die sogenannte Zuruf-Logistik, also Leistungen, die nicht auf individuell ausgehandelten Logistikverträgen basieren. In den Logistik-AGB ist unter anderem die Haftung des Logistikdienstleisters für Schäden geregelt.